Kennen Sie den Ursprung dieser textilen Redewendungen?

Wir verwenden im täglichen Sprachgebrauch zahlreiche Begriffe, ohne wirklich zu wissen, worin ihr Ursprung liegt. Aus diesem Grund haben wir uns mit einigen Redewendungen zum Thema «Weben» genauer befasst.

Etwas anzetteln

Wer etwas anzettelt, fängt mit einem Unfug an oder ist der Anstifter zu einer Tat. Dieser Ausdruck stammt ursprünglich aus dem Weberhandwerk: Um ein Stück Stoff zu weben, müssen auf dem Webstuhl zunächst lange Fäden – die sogenannten Kettfäden – gespannt werden, durch die dann später quer hindurchgewebt wird. Diese Längsfäden werden Zettel genannt. Am Anfang einer Webarbeit steht also immer der Zettel, denn ohne die gespannten Kettfäden kann das eigentliche Weben nicht beginnen. Wer etwas anzettelt, setzt somit die Startpunkte für eine Entwicklung.

Nach Strich und Faden

Wenn jemand nach Strich und Faden betrogen oder verprügelt wurde, dann meinen wir damit, dass ihm äusserst übel mitgespielt wurde. Einer Erklärung zufolge steht Strich und Faden für «nach allen Regeln der Kunst» und kommt aus der Webersprache der Tuchmacher. Die Zunftmeister prüften bei der Qualitätskontrolle eines Webstücks zum einen die Oberfläche, also den Strich der Fasern. Der Flor sollte besonders bei Samt und rauem Tuch eine gleichmässige Optik ergeben. Zum anderen war die Anordnung der sich kreuzenden Fäden ein Qualitätskriterium. Diese Webfäden mussten gleichmässig liegen, das Muster stimmig sein. Der Stoff wurde also darauf geprüft, ob Strich und Faden stimmten, was wiederum hiess, dass er ordnungsgemäss hergestellt worden war. Die Redewendung wurde ursprünglich im positiven Kontext verwendet. Heutzutage ist jedoch nur noch die negative Verwendung geläufig (jemanden «ordentlich » verprügeln, belügen oder betrügen).

Gut in Schuss

Am Webstuhl heisst der Faden, der durch die gespannten Kettfäden quer hin- und hergeführt wird, Schussfaden. Je schneller und regelmässiger
der Schussfaden geführt wird, desto besser läuft das Weben. Die Angelegenheit ist demnach gut in Schuss.

Shuttle

Als Shuttle bezeichnen wir heutzutage ein Transportmittel, das zwischen zwei Orten hin- und herpendelt; beispielsweise ein Shuttlebus, der die Passagiere zum Flugzeug und wieder zurückbefördert. Das englische Wort «shuttle» kommt jedoch ursprünglich aus der Weberei und bezeichnet das Werkzeug, das den Schussfaden durch die Kettfäden bewegt. Auf Deutsch heisst dieses Gerät Weberschiffchen (weil es ähnlich wie ein Boot geformt ist) und wie das Shuttle, fährt auch dieses Weberschiffchen zwischen den Kettfäden auf dem Webstuhl hin und her.

Fadenscheinig

Ein fadenscheiniges Argument ist eine Begründung, bei der zu erkennen ist, dass sie lediglich vorgeschoben wurde. Dahinter ist sichtbar, dass eigentlich andere Gründe vorhanden sind, diese aber verborgen bleiben sollen. Früher war fadenscheinig ein Wort für abgenutzte Textilien, deren Gewebe schon dermassen abgescheuert war, dass man die einzelnen Fäden erkennen konnte. Seit dem 19. Jahrhundert wird das Wort aber auch in der übertragenen Bedeutung im Sinne von «leicht durchschaubar» benutzt.

Den Faden verlieren

Wer den Faden verliert, gerät aus dem Erzählfluss und muss erst wieder den Anschluss an das finden, was zuletzt gesagt wurde. 
Genauso kann aber auch den Faden verlieren, wer Garn aus einem Faserbündel spinnt. Um kontinuierlich arbeiten zu können, darf der Spinnfaden nicht abreissen. Fällt die Spindel aus der Hand oder reisst der Faden, so wird die Arbeit unterbrochen. Die Fadenenden müssen mühsam und mit Zeitverlust wieder verbunden werden. Ebenso kann beim Weben der Faden reissen. Der Webfluss ist gestört, der verlorene Faden muss erst wieder gesucht und neu verknüpft werden. 

Den Faden aufnehmen

Einen verlorenen, abgerissen oder liegen gelassenen Faden kann man wieder aufnehmen. Sowohl beim Weben und Spinnen, als auch beim Erzählen oder beim Entwickeln eines Plans. Wer den Faden aufnimmt, knüpft an die Stelle an, die zuletzt liegen geblieben ist. Früher war dieses Anknüpfen sogar so wichtig, dass es im Frauenzimmer-Lexikon von 1715 einen eigenen Eintrag dazu gibt. Unter Ende suchen im Spinnen wird erklärt: "Heisset, wenn der Faden am Spinnrad gerissen, und das abgerissene Ende sich unter die Fäden auf der Spule verkrochen hat, und man selbiges also wieder heraus suchen muss." 

Der rote Faden

Ein roter Faden zieht sich durch alles, verbindet die Teile, ist das Leitmotiv. Das Bild des Leitfadens als verbindendes Element ist sofort nachvollziehbar. Aber wieso ist der Faden rot?
In der Geschichte gibt es einige Fäden, die explizit rot gefärbt sind:

  • Schon die Bibel kannte einen roten Faden. Im Alten Testament wird bei einer Zwillingsgeburt das erstgeborene Kind mit einem roten Faden markiert: "Bei der Geburt streckt einer die Hand heraus. Die Hebamme griff zu, band einen roten Faden um die Hand und sagte: Er ist zuerst herausgekommen:"
  • Rot war auch der Faden der Ariadne in der Mythologie, den Theseus benutzte, um sich im Labyrinth nicht zu verirren.
  • In China und Japan ist der rote Faden ein unsichtbarer Faden, der Paare verbindet, die füreinander bestimmt sind.
  • Als Erkennungszeichen war der rote Faden gedacht, den die britische Marine vor 300 Jahren in die Taue ihrer Schiffe eindrehen liess. Die durch den roten Faden als militärisches Eigentum markierten Seile, konnten nicht mehr so leicht verkauft werden, wenn sie gestohlen waren. Der weit verbreitete Taudiebstahl in den Häfen ging zurück.

Diese Praxis der britischen Marine griff Goethe auf und entwickelte daraus das Bild des roten Fadens als Leitmotiv. In "Die Wahlverwandtschaften" vergleicht er den durchgehenden roten Faden mit einem Leitmotiv im Tagebuch: "Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören. Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und der Anhänglichkeit, der alles verbindet und das Ganze bezeichnet."
Seit diesem Bild Goethes wir der rote Faden auch in übertragenen Sinne als verbindender Grundgedanke verwendet.

Schmutzige Wäsche waschen

Um die Waschweiber, die früher beruflich die Wäsche anderer Menschen wuschen, ranken sich einige eher abfällige Ausdrücke: «Er schwatzt wie ein Waschweib», «das ist alles dummes Gewäsch», «was für ein Wischiwaschi-Gerede». Aus all diesen Phrasen spricht Geringschätzung den Frauen und ihren Gesprächen gegenüber, die im Waschhaus, am Brunnen oder an Waschstellen am Fluss arbeiteten und diese Orte auch zum sozialen Austausch nutzten. Die schmutzige Wäsche konnte hier öffentlich begutachtet werden, private Dinge blieben nicht im Verborgenen. Wollte man nicht ins Gerede kommen, so war es angeraten, seine Wäsche privat zu reinigen. Im Französischen heisst es deshalb auch, man solle seine schmutzige Wäsche in der Familie waschen: «Laver son linge sale en famille».

Waschecht

Waschechte Textilien leiden nicht in der Wäscherei, die Farbe blutet nicht aus. Auf Menschen übertragen bestätigt dieser Ausdruck die Unverfälschtheit einer Person. Ein «waschechter Berner» ist ein typischer, echter Berner. In dieselbe Richtung geht der Ausdruck «in der Wolle gefärbt»; kann eine Farbe noch vor der Weiterverarbeitung direkt in die Wolle eindringen, ist sie nämlich besonders haltbar.

Dumm aus der Wäsche gucken

Bei Verblüffung oder Enttäuschung guckt man dumm aus der Wäsche, bei Niedergeschlagenheit auch mal traurig. Weitere Varianten wie «dumm aus dem Anzug gucken» zeigen, dass die Wäsche hier allgemein für Kleidung steht. Der verblüffte Mensch versinkt quasi vor Überraschung in seiner äusseren Hülle.

Das hat sich gewaschen

Wenn man sich gewaschen hat, dann ist man sauber, einsatzbereit und brauchbar. Aus dieser positiven Eigenschaft wurde ein Begriff für etwas, das sich besonders hervortut und sehr intensiv ist. Eine Ohrfeige, die sich gewaschen hat, wurde mit voller Kraft ausgeführt und trifft ihr Ziel. Wer hingegen mit allen Wassern gewaschen ist, der ist mit den Wassern der sieben Weltmeere in Berührung gekommen und gilt daher als äusserst erfahren und gewieft.

Weisse Woche

Nach Weihnachten sind Haushaltwaren in den Kaufhäusern oft im Sonderangebot. Diese Schnäppchen-Tradition ist schon über hundert Jahre alt, denn auch zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurden Bettwäsche, Handtücher, Porzellan und andere «Weisswaren» in der Zeit des Jahreswechsels besonders günstig angeboten. Kaufleute nutzen das Relikt der «Weissen Woche» bis heute, nur dass zu den Weisswaren inzwischen auch Elektrogeräte gehören.

Quellen: 
Buch «Verflixt & Zugenäht – Textile Redewendungen gesammelt und erklärt 
Buch "Am Rockzipfel - Redensarten Rund um Kleidung und Stoff"